از خوانده‌ها و نخوانده‌ها

chapter 9- first 3 pages

شنبه, ۱۲ مهر ۱۳۹۹، ۱۰:۵۲ ق.ظ

Es dauerte auch bei Fredebeul lange, bis jemand an den Apparat
kam; das dauernde Tuten machte mich nervös, ich stellte mir vor,
daß Frau Fredebeul schlief, von dem Tuten geweckt wurde, wieder
einschlief, wieder geweckt wurde, und ich durchlitt alle Qualen ihrer
von diesem Anruf betroffenen Ohren. Ich war drauf und dran, wieder
aufzulegen, gestand mir aber eine Art Notstand zu und ließ es
weiterklingeln. Fredebeul selbst aus tiefem Schlaf zu wecken, hätte
mich nicht im geringsten gequält: dieser Bursche hat keinen ruhigen
Schlaf verdient; er ist krankhaft ehrgeizig, hat wahrscheinlich immer
die Hand auf dem Telefon liegen, um anzurufen oder Anrufe
anzunehmen, von Ministerialdirektoren, Redakteuren,
Zentralkomitees, Dachverbänden und von der Partei. Seine Frau
habe ich gern. Sie war noch Schülerin, als er sie zum erstenmal mit
in den Kreis brachte, und die Art, wie sie da saß, mit ihren hübschen
Augen den theologisch-soziologischen Auseinandersetzungen
folgte, machte mich ganz elend. Ich sah ihr an, daß sie viel lieber
tanzen oder ins Kino gegangen wäre. Sommerwild, bei dem diese
Zusammenkunft stattfand, fragte mich dauernd: Ist Ihnen zu heiß,
Schnier, und ich sagte: Nein, Prälat, obwohl mir der Schweiß von
Stirn und Wangen lief. Ich ging schließlich auf Sommerwilds Balkon,
weil ich das Gerede nicht mehr ertragen konnte. Sie selbst hatte das
ganze Palaver ausgelöst, weil sie - übrigens vollkommen außer dem
Zusammenhang des Gesprächs, das eigentlich über Größe und
Grenzen des Provinzialismus ging - gesagt hatte, sie
fände einiges, was Benn geschrieben hätte, doch »ganz hübsch«.
Daraufhin wurde Fredebeul, als dessen Verlobte sie galt, knallrot,
denn Kinkel warf ihm einen seiner berühmten sprechenden Blicke
zu: »Wie, das hast du noch nicht bei ihr in Ordnung gebracht ?« Er
brachte es also selbst in Ordnung und schreinerte das arme
Mädchen zurecht, indem er das ganze Abendland als Hobel
ansetzte. Es blieb fast nichts von dem netten Mädchen übrig, die
Späne flogen, und ich ärgerte mich über diesen Feigling Fredebeul,
der nicht eingriff, weil er mit Kinkel auf eine bestimmte ideologische
Linie »verschworen« ist, ich weiß jetzt gar nicht mehr, ob links oder
rechts, jedenfalls haben sie ihre Linie, und Kinkel fühlte sich
moralisch verpflichtet, Fredebeuls Braut auszurichten. Auch
Sommerwild rührte sich nicht, obwohl er die Kinkel und Fredebeul
entgegengesetzte Linie vertritt, ich weiß nicht welche: wenn Kinkel
und Fredebeul links sind, ist Sommerwild rechts, oder umgekehrt.
Auch Marie war ein bißchen blaß geworden, aber ihr imponiert
Bildung - das habe ich ihr nie ausreden können -, und Kinkels
Bildung imponierte auch der späteren Frau Fredebeul: sie nahm mit
fast schon unzüchtigen Seufzern die wortstarke Belehrung hin: Das
ging von den Kirchenvätern bis Brecht wie ein Unwetter nieder, und
als ich erfrischt vom Balkon zurückkam, saßen alle vollkommen
erschossen da, tranken Bowle - und das ganze nur, weil das arme
Ding gesagt hatte, sie fände einiges von Benn »ganz hübsch«.
Jetzt hat sie schon zwei Kinder von Fredebeul, ist kaum
zweiundzwanzig, und
während das Telefon immer noch in ihrer Wohnung klingelte, stellte
ich mir vor, wie sie irgendwo mit Babyflaschen, Puderdosen, Windeln
und Cremes herumhantierte, vollkommen hilflos und konfus, und ich
dachte an die Berge von schmutziger Babywäsche und das
ungespülte, fettige Geschirr in ihrer Küche. Ich hatte ihr einmal, als
mir die Unterhaltung zu anstrengend wurde, geholfen, Toast zu
rösten, Schnittchen zu machen und Kaffee zu kochen, Arbeiten, von
denen ich nur sagen kann, daß sie mir weniger widerwärtig sind als
gewisse Formen der Unterhaltung.
Eine sehr zaghafte Stimme sagte: »Ja, bitte?« und ich konnte aus
dieser Stimme
heraushören, daß es in Küche, Badezimmer und Schlafzimmer
hoffnungsloser aussah als je. Riechen konnte ich diesmal fast nichts:
nur, daß sie eine Zigarette in der Hand haben mußte.
»Schnier«, sagte ich, und ich hatte einen Ausruf der Freude
erwartet, wie sie ihn
immer tut, wenn ich sie anrufe. Ach, Sie in Bonn - wie nett - oder
ähnlich, aber sie schwieg verlegen, sagte dann schwach: »Ach,
nett«. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Früher hatte sie immer
gesagt: »Wann kommen Sie noch einmal und führen uns was vor?«
Kein Wort. Es war mir peinlich, nicht meinet-, mehr ihretwegen,
meinetwegen war es nur deprimierend, ihretwegen war es peinlich.
»Die Briefe«, sagte ich schließlich mühsam, »die Briefe, die ich
Marie an Ihre Adresse schickte?«
»Liegen hier«, sagte sie, »ungeöffnet zurückgekommen.«
»An welche Adresse hatten Sie sie denn nachgeschickt?«
»Ich weiß nicht«, sagte sie, »das hat mein Mann gemacht.«
»Aber Sie müssen doch auf den zurückkommenden Briefen gesehen
haben, welche Adresse er drauf geschrieben hat?«
»Wollen Sie mich verhören?«
»O nein«, sagte ich sanft, »nein, nein, ich dachte nur ganz
bescheiden, ich könnte ein Recht haben, zu erfahren, was mit
meinen Briefen geschehen ist.«
»Die Sie, ohne uns zu fragen, hierhergeschickt haben.«
»Liebe Frau Fredebeul«, sagte ich, »bitte, werden Sie jetzt
menschlich.«
Sie lachte, matt, aber doch hörbar, sagte aber nichts.
»Ich meine«, sagte ich, »es gibt doch einen Punkt, wo die
Menschen, wenn auch aus ideologischen Gründen — menschlich
werden.«
»Soll das heißen, daß ich mich bisher unmenschlich verhalten habe

»Ja«, sagte ich. Sie lachte wieder, sehr matt, aber immer noch
hörbar.
»Ich bin sehr unglücklich über diese Geschichte«, sagte sie
schließlich, »aber mehr kann ich nicht sagen. Sie haben uns alle
eben schrecklich enttäuscht.«
»Als Clown?« fragte ich.
»Auch«, sagte sie, »aber nicht nur.«
»Ihr Mann ist wohl nicht zu Hause?«

موافقین ۰ مخالفین ۰ ۹۹/۰۷/۱۲
سا را

نظرات  (۰)

هیچ نظری هنوز ثبت نشده است

ارسال نظر

ارسال نظر آزاد است، اما اگر قبلا در بیان ثبت نام کرده اید می توانید ابتدا وارد شوید.
شما میتوانید از این تگهای html استفاده کنید:
<b> یا <strong>، <em> یا <i>، <u>، <strike> یا <s>، <sup>، <sub>، <blockquote>، <code>، <pre>، <hr>، <br>، <p>، <a href="" title="">، <span style="">، <div align="">
تجدید کد امنیتی